Wer nicht hören will, muss nicht führen.
In der heutigen Arbeitswelt, in der Komplexität, Geschwindigkeit und Wandel an der Tagesordnung sind, ist eine Fähigkeit für Führungskräfte wichtiger denn je: das aktive Zuhören. Wer nicht hören will, sollte nicht führen. Denn Führung ohne echtes Zuhören ist keine Führung, sondern Machtausübung ohne Verbindung.
Zuhören ist keine Schwäche, sondern eine Schlüsselkompetenz
Führung beginnt mit Interesse am Menschen. Wer Menschen führen will, muss sie kennen, verstehen und ernst nehmen. Genau das gelingt nur über echtes Zuhören. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen den Zusammenhang zwischen mitarbeiterorientierter Führung, wahrgenommener Wertschätzung und erhöhter Arbeitszufriedenheit.
Eine Metastudie von Kluger & Itzchakov (The Power of Listenning in Helping People Change) hebt hervor, dass aktives Zuhören nicht nur die zwischenmenschliche Beziehung stärkt, sondern auch die Teamleistung, die Kreativität und die Innovationsfähigkeit fördert. Zuhören senkt nachweislich Stresslevel, fördert Vertrauen und verstärkt das Gefühl psychologischer Sicherheit im Team. Gerade in dynamischen Kontexten, in denen es keine eindeutigen Lösungen gibt, ist dieses Vertrauen entscheidend, um eigenverantwortliches Handeln zu ermöglichen.
Die Gallup Engagement Studien zeigen immer wieder: Mitarbeitende, die sich gehört fühlen, sind engagierter, loyaler und produktiver. Sie identifizieren sich mit ihrer Arbeit und dem Unternehmen. Umgekehrt: Wer das Gefühl hat, ignoriert zu werden, zieht sich zurück oder verlässt das Unternehmen. Auch der Krankenstand ist bei emotional nicht eingebundenen Mitarbeitenden deutlich höher, wie die repräsentative Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für den Fehlzeiten-Report 2024 zeigte.
Carl Rogers, einer der Begründer der humanistischen Psychologie, betonte bereits 1951 mit seinem Buch „Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie“, dass echtes Zuhören mit Empathie, bedingungsloser Wertschätzung und kongruentem Verhalten verbunden sein muss, um Vertrauen und Entwicklung zu ermöglichen. Wer zuhört, ohne sofort zu bewerten, schenkt dem Gegenüber nicht nur Gehör, sondern auch Respekt.
Hören ist mehr als Hinhören
Zuhören ist ein aktiver Prozess. Es bedeutet, sich mit voller Aufmerksamkeit auf das Gegenüber einzulassen, Rückfragen zu stellen, Gefühle zu spiegeln und den Gesprächspartner zu verstehen, bevor man selbst spricht. Es bedeutet, die Meinung der anderen nicht nur zu dulden, sondern zu würdigen. Wer oberflächlich hinhört, verpasst Chancen: Chancen zur Verbesserung, zur Innovation, zur Frühwarnung bei Problemen und zur Entwicklung von Vertrauen.
Drei Negativbeispiele aus meiner Praxis:
- Die Meeting-Dominanz: Ich erinnere mich gut an ein Projekt in einem mittelständischen Handelsunternehmen. Der Geschäftsführer, ein brillanter Kopf mit einem tiefen betriebswirtschaftlichen Know-How, leitete alle Meetings selbst – und sprach dabei mindestens 80 % der Zeit. Rückfragen ans Team wurden kaum gestellt. Wenn doch, waren sie rein rhetorischer Natur, etwa: „Sehen Sie das nicht genauso?“ Kritik wurde mit einem knappen „Das sehen Sie falsch!“ abgekanzelt. Die Folge war ein verstummtes Team – die Mitarbeitenden fühlten sich übergangen, viele schalteten innerlich ab. Die Konsequenz: hohe Fluktuation unter den Führungskräften der zweiten Ebene. Bestandteil unserer Personalberatung waren nicht nur die Führungskräftevermittlung und das Headhunting. Wir machten das Thema „Zuhören“ zu einem Coaching-Schwerpunkt. Dabei veränderte sich der Umgang mit den Mitarbeitenden spürbar. Sie wurden seitdem vermehrt an den Entscheidungen beteiligt.
- Die schnelle Abwimmelung: Ein Beispiel aus der Logistikbranche: Der Leiter der Dispositionsabteilung kam auf mich zu, weil das Betriebsklima deutlich gelitten hatte. In Gesprächen mit Mitarbeitenden stellte sich heraus: Ihre Ideen und Anliegen wurden regelmäßig mit einem „Kümmern wir uns später drum.“ vertröstet. Das „Später“ kam nie. Für die Belegschaft war es normal, dass sich nichts ändert. Sie hatten längst aufgehört, sich aktiv einzubringen. Ein Berufskraftfahrer merkte nur nüchtern an: „Der interessiert sich nicht, warum sollten wir uns die Mühe machen?“ – eine fatale Haltung, die letztlich zu höheren Aufwendungen und geringerer Leistung führte. Erst als neben dem Leiter der Dispositionsabteilung auch der Unternehmensführung klar wurde, dass ihr Verhalten dem Unternehmen aktiv schadete, war man zu Veränderungen bereit. Vor allem ein Kommunikationstraining für Führungskräfte trug dazu bei, dass sich das Betriebsklima änderte. Ein neuer Prozess für das Mitarbeitervorschlagswesen motivierte die Kolleg:innen, sich doch wieder zu Wort melden – mit hervorragenden Ergebnissen.
- Der Monolog-Chef: In einem weiteren Transportunternehmen klagte der Geschäftsführer über seine Probleme mit einer Lagerleitung, die in Gesprächen mit den Mitarbeitenden „klar den Ton vorgibt und nichts Anderes akzeptiert“. Tatsächlich bestand der Führungsstil fast nur daraus, Anweisungen zu erteilen. Probleme löste sie im Alleingang. Vorschläge ihrer Mitarbeitenden blockte sie reflexartig ab: „Das ist zu aufwendig.“ „Das passt nicht ins Budget.“ „Dafür habe ich keine Zeit.“ Die Folge: Vertrauensverlust und ein abnehmendes Verantwortungsgefühl im Team. Besonders belastend: Zwei Leistungsträger kündigten fast gleichzeitig. Ihrer Begründung war auch ein „Wir wurden nie gefragt.“ zu entnehmen. Nach einem sehr intensiven Gespräch zwischen der Lagerleitung und dem Geschäftsführer wurde deutlich, dass es ein „weiter so“ nicht geben könnte. Es folgte der Auftrag für eine Führungskräftevermittlung. Für die Position der Lagerleitung konnten wir eine erfahrene, empathische Teamleitung mit klarer Kommunikationskompetenz gewinnen. In ihrem ursprünglichen Betrieb gab es leider keine Perspektive der Weiterentwicklung, so dass eine hohe Wechselmotivation bestand. Mittlerweile sind auch zwei weitere Lagerfachkräfte dazu gekommen. Mit dem Anfang des neu aufgestellten 15-köpfigen Teams ist der Geschäftsführer mehr als zufrieden.
Drei Best-Practice-Beispiele aus der Praxis:
- Feedback-Runden mit Struktur: In einem Logistikzentrum begleiteten wir die Einführung wöchentlicher „Voice Circles“. Das Prinzip: Jede Person erhält drei Minuten ungestörte Redezeit – ohne Unterbrechung. Danach erfolgt ein kurzes aktives Spiegeln durch die Führungskraft. Die Themen reichen von Projektständen über persönliche Eindrücke bis hin zu Verbesserungsvorschlägen. Die Wirkung war verblüffend: Mitarbeitende berichteten von einem deutlich gestiegenen Gefühl der Wertschätzung. Ideen wurden nicht nur gehört, sondern umgesetzt. Die Beteiligung wuchs, ebenso die Qualität der Entscheidungen.
- „Walk & Talk“-Formate: Ein sehr pragmatisches, aber wirksames Beispiel aus dem Agrarhandel: Eine Bereichsleiterin hatte das Gefühl, ihre Gespräche im Büro liefen zu formell ab. Sie führte ein: „Jede Woche ein Spaziergang mit einem Mitarbeitenden“. Keine Agenda, keine Folien. Einfach zuhören. Die Gespräche wurden offener, ehrlicher, menschlicher. Themen kamen zur Sprache, die zuvor nie geäußert wurden. Besonders auffällig: Die emotionale Bindung an die Führungskraft wuchs – und mit ihr die Motivation.
- Zuhören trainieren: In einem internationalen Konzern aus der Immobilienwirtschaft begleiteten wir ein Leadership-Development-Programm. Bestandteil war ein Modul „Aktives Zuhören“, mit Rollenspielen, Feedbackübungen und Videoanalysen. Anfangs skeptisch, entdeckten viele Führungskräfte überraschend, wie sehr ihre Gesprächsführung von Bewertungen und Unterbrechungen geprägt war. Nach dem Training wurde bewusst langsamer gesprochen, gezielter nachgefragt und ehrlicher zugehört. Die Mitarbeiterzufriedenheit stieg messbar. Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit verbesserte sich dadurch signifikant.
Das Ohr ist auch in der Personalberatung gefordert
Als Personalberater und Headhunter ist das aktive Zuhören ein zentrales Element unserer Arbeit. Nur wenn wir unseren Klient:innen wirklich zuhören – also ihre unternehmensspezifischen Herausforderungen, ihre Kultur, ihre strategischen Ziele und ihre Erwartungen an Führungspersönlichkeiten im Detail verstehen – können wir sie professionell und erfolgreich bei der Suche nach den passenden Führungskräften begleiten. Im Headhunting kommt es darauf an, sowohl die Auftraggebenden als auch die Kandidat:innen zu verstehen. Es kommt also nicht nur darauf an, CVs zu lesen und mit dem Anforderungsprofil abzustimmen. Es geht um den Menschen, der hinter der chronologischen Darstellung seines Karrierewegs steckt. Nicht selten beeindrucken die Bewerber:innen mit ganz besonderen Erzählungen. Das versuchen wir herauszuhören, wenn wir fragen, was dem CV noch nicht entnommen werden konnte. Gibt es da noch etwas, das wir wissen müssen?
Bei braveheads, unserem Partnernetzwerk für Executive Search, Interim Management und Nachfolgeberatung, ist genau das Teil unserer DNA: Wir hören zu, stellen die richtigen Fragen und entwickeln daraus ein präzises Anforderungsprofil, das weit über die reine Positionsbeschreibung hinausgeht. Denn wir wissen: Nur wer richtig zuhört, kann die Menschen identifizieren, die wirklich zum Unternehmen passen und es nachhaltig voranbringen. Zuhören ist bei braveheads kein Add-on, sondern unser wichtigstes Werkzeug auf dem Weg zur exzellenten Personalentscheidung.
Diese Haltung hat sich bewährt – nicht nur in der erfolgreichen Besetzung von Führungspositionen, sondern auch in der Begleitung von Transformationsprozessen, der Entwicklung von Nachfolgelösungen und im Coaching von Entscheidungsträger:innen. Zuhören ist die Grundlage für Vertrauen, Treffsicherheit und langfristige Zusammenarbeit.
Fünf einfache Prinzipien für echtes Zuhören in der Führungspraxis:
- Aktiv präsent sein: Handy weg, Blickkontakt halten, volle Aufmerksamkeit schenken.
- Nachfragen statt vorschnell urteilen: Interesse zeigen, Tiefe erzeugen.
- Gefühle ernst nehmen: Emotionen wahrnehmen und benennen, nicht bagatellisieren.
- Raum geben: Ausreden lassen, Schweigen aushalten, Pausen zulassen.
- Feedback geben: Gehörtes zusammenfassen und rückspiegeln, um Verständnis zu zeigen.
Warum das Zuhören oft schwerfällt
Zuhören bedeutet Kontrolle abgeben. Wer zuhört, lässt sich auf andere Perspektiven ein, muss Unsicherheit aushalten und ist nicht mehr alleiniger Deutungsgeber. In Hochdrucksituationen, unter Stress oder mit einem sehr starken Kontrollbedürfnis neigen Führungskräfte dazu, eher zu senden als zu empfangen. Gerade dann ist es jedoch essenziell, innezuhalten und zuzuhören. Denn viele Konflikte lassen sich nicht durch Argumente, sondern nur durch echtes Verstehen lösen.
Fazit
Wer führen will, muss hören können. Zuhören ist die Grundlage für Vertrauen, Zusammenarbeit und echte Veränderung. Es ist ein Ausdruck von Respekt und eine Investition in die Beziehung. In einer Welt, in der viele reden, ist es umso wertvoller, wirklich zuzuhören. Denn nur wer hört, kann führen. Und wer führt, ohne zuzuhören, führt ins Leere.
Du suchst als Entscheider:in nach einer Führungskraft, die wirklich zu Deinem Unternehmen passt? Oder möchtest Deine Organisation mit Menschen verstärken, die zuhören, denken und handeln können? Dann sprich uns bei braveheads an. Wir freuen uns auf das Gespräch – und hören Dir gut zu.