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Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass Narzissten* (und es sind tatsächlich überwiegend Männer) auf den ersten Blick häufig vermeintlich gute Voraussetzungen für Führungspositionen mitbringen. Solche Menschen treten meistens eloquent auf und versprühen Charme. Sie wirken durchsetzungsstark und zielstrebig. Doch Vorsicht! Es lohnt sich genauer hinzuschauen und sich nicht blenden zu lassen. Denn extreme Narzissten tun alles, um Anerkennung zu bekommen und andere auszustechen. Dabei gehen manche von ihnen über Leichen.

Psychologen wissen, wie schwer sie narzisstisch veranlagten Menschen auf die Schliche kommen können. Sie treten nicht nur gewinnend auf, sondern passen sich hinsichtlich der an sie gestellten Erwartungen oft gut an. Selbst in Assessment-Centern gelingt es daher häufig nicht, Extremnarzissten verlässlich auszusieben.

Tests wie das Big Five Modell, mit denen wichtige Persönlichkeitsmerkmale untersucht werden, sind hinsichtlich Narzissmus nur begrenzt aussagefähig. In solchen Verfahren sollen Antworten auf ausgeklügelte Fragen Aufschluss darüber geben, wie belastbar, ehrgeizig, gewissenhaft, leistungsstark oder zielstrebig Bewerber agieren. Entsprechend hohe Werte deuten nicht per se auf narzisstische Verhaltensweisen hin. Für sich genommen und ausbalanciert sind sie schließlich wichtige Eigenschaften, die eine motivierte Führungskraft haben sollte. Wir braveheads vertreten daher die Ansicht, dass gegen ein „gesundes Maß“ an Narzissmus auch gar nichts einzuwenden ist.

Dem Ego alles unterordnen

Das größte Problem beim Umgang mit Extremnarzissten in Unternehmen ist, dass sie ihrer Anerkennung und ihrem persönlichen Erfolg alles unterordnen. Bewunderung und Lob sind wie eine Droge für sie. Und wie Süchtige verlangen sie permanent nach mehr. Sie sind nicht in der Lage zu erkennen, welche Nachteile ihr Verhalten Mitarbeitenden, dem Unternehmen und letztlich ihnen selbst bringt.

Untersuchungen belegen, dass Narzissten häufig kein positives Selbstbild haben. Daher streben sie permanent nach Anerkennung. Zudem sind sie weniger empathisch als der Durchschnitt. Nach außen hin vermitteln sie den Eindruck von Überlegenheit.

Narzisstisches Verhalten wird offenbar in früher Kindheit angelegt. Ausgelöst werden kann es durch ein ungesundes Maß an Zuwendung. Ist es zu gering, kämpfen Kinder permanent darum, wahrgenommen und anerkannt zu werden. Auslöser kann aber auch eine Überbewertung der kindlichen Veranlagungen durch die Eltern sein, aus der ein übersteigertes Ego resultiert.

Aufgrund ihrer mangelnden Teamfähigkeit ist die Zusammenarbeit mit Narzissten höchst anstrengend, zumal in einem untergeordneten Verhältnis. Sie dulden keine erfolgreichen Kollegen neben sich. Das äußert sich dadurch, dass sie gute Lösungsansätze anderer bevorzugt auf ihr eigenes Ticket buchen oder erst gar nicht weiterverfolgen. Talentierte Mitarbeitende können sich nicht entfalten. Eine Führung auf Augenhöhe ist nicht möglich. Die notwendige Innovationsfähigkeit von Unternehmen bleibt so auf der Strecke. In der schnelllebigen VUKA-Wirtschaftswelt ist das auf Dauer tödlich.

Spezielle Formen

Eine spezielle Form von Narzissmus ist die „kollektive“ Variante. Auch die haben wir braveheads in Unternehmen schon kennenlernen müssen. Gleichgesinnte mit übersteigertem Selbstbewusstsein nehmen sich dabei als elitäre Gruppe wahr, die anderen vermeintlich überlegen ist. Forschungsergebnissen zufolge befeuern soziale Medienkanäle ein solches Mindset, bei dem Teilnehmende Wissen zu haben glauben, über das der Rest der Gesellschaft nicht verfügt. Die Querdenker-Bewegung lässt grüßen!

Besonders problematisch wird es, wenn narzisstisches Verhalten in psychopatisches mit einer krankhaft übersteigerten Selbstwahrnehmung übergeht. Dann hat man es mit Machtmenschen zu tun, die ausgesprochen berechnend und kaltschnäuzig sind. Empathie ist für sie ein Fremdwort. Sie analysieren, kalkulieren und entscheiden knallhart. In ihrem Machtdenken gehen sie rigoros vor, wenn es ihren Zielen dienlich ist. Sie sind derart von sich und ihren Entscheidungen überzeugt, dass sie hohe Risiken für ihr Unternehmen, aber auch für sich selbst in Kauf nehmen. Sie erkennen diese häufig gar nicht, weil ihnen die emotionalen Fähigkeiten fehlen, wie Ergebnisse aus der Hirnforschung zeigen.

Wege aus der Krise

Erst wenn das narzisstische Verhalten als persönliche Krise wahrgenommen wird, bietet sich eine Chance auf Veränderung des destruktiven Verhaltens. Unabdingbar sind dabei die Selbsteinsicht und der echte Wille, dem narzisstischen Auftreten Lebewohl zu sagen. Der Weg dorthin ist lang und ohne fachliche Begleitung kaum zu schaffen. Erfolgsaussichten gibt es dann, wenn der Leidensdruck erst einmal stark genug geworden ist und nach der angestrebten Verhaltensänderung eine reizvolle Belohnung winkt.

Den Weg zu gehen lohnt sich. Denn Narzissten schaden mit ihrem Verhalten auf Dauer dem Unternehmen – und sich selbst.

*Aufgrund einer sprachlichen Vereinfachung benutzen wir das generische Maskulinum, gemeint sind natürlich alle Geschlechter (m, w, d).